Kolumne Ines Barber – Frisch un free (Folge 1)
08. January 2019, Ines Barber,

Plattdeutsch
Fensterkieken
Moin, ik bün hier de niege Kolumnistin, un ik kiek jümmers nipp un nau hen un dink mi mien Deel. Liekers, ik bün keen Spanner. Man nu, wenn‘t so fröh duster wart un de Lüüd dat Licht so fröh anmakt, denn kann ik nich anners: Ik kiek hen. Dat Licht in frömme* Hüüs treckt mi magisch an. Kennst Du dat nich ok? Du kümmst vunne Arbeit oder geihst nomol mit den Hund de Runn an Namiddag so Klock fief, un de Welt wiest* Di allns! Denn de Rollladens gaht jo mehrstens eerst en beten later rünner.
Geiht mi jo nix an, dink ik, Barber, kiek oppe Straat. Man düsse »Schaufenster« inne Nawerschapp sünd to un to spannend. Ik wüss gor nich, wat so veele Lüüd noch düsse duster hulten Möbel hebbt. De Riesenschrankwand ut de söbentiger Joarn. Se leevt!
Un anner staht op knallbunte Tapeten mit Retro-Mustermix. Nachbor Meier sitt jeden Dag to de sülve Tiet vör‘n Kiekkasten*. Un de Fro vun gegenöver hett de gräsigsten Lampen wo gifft! Gediegen, nee, ik kiek fix wedder op mien Weg vör mi. Geiht mi jo nix an. Un liekers, een poor Schreed wieder flackert dat blaue Licht vun een riesige Flatscreen bit op den Footweg. Un mien Kopp dreiht sik vun ganz alleen.
Direkt ümme Eck bi mi leevt een junge Familie. Dor kriggt dat Baby so Klock fief jümmers sien Bree vunne junge Mama. Een söötet Bild. Soveel Leven üm mi rüm, soveel enkelte Levensgeschichten, soveel heel ünnerscheedlich Wohnstuven. Schleswig-Holsteen light. Also, Schleswig-Holsteen in‘t Licht. Biller toon Drömen. Wenn ik denn tohuus bün, laat ik de Schotten noch för een Momang baven un revanscheer mi. Jaaaa, de Hund sitt op‘ Sofa, un de Köök hett … Un Sluss, Rollos rünner. Ik will de Lüüd jo nich toon Spannen verföhren. Ik doch nich. Geiht se jo ok nix an.
Hochdeutsch
Das Leben der anderen
Moin, ich bin hier die neue Kolumnistin und schaue stets ganz genau hin. Und dann mach‘ ich mir so meinen Reim darauf. Aber deshalb bin ich noch lange keine Spannerin! Allerdings jetzt, wo es so früh dunkel wird und die Leute so früh ihr Licht im Haus anmachen, da kann ich gar nicht anders: Ich schaue hin. Das Licht in fremden Wohnungen zieht mich magisch an. Das kennen Sie doch auch, oder? Man kommt von der Arbeit oder geht noch fix mit dem Hund so gegen fünf, und die Welt zeigt einem alles. Denn die Rollläden gehen meist erst etwas später runter.
Ach, das geht mich ja gar nichts an, klar, weiß ich, und dann schaue ich auch artig wieder auf die Straße vor mir. Aber – diese »Schaufenster« in der Nachbarschaft sind leider extrem spannend. Wenn Sie wüssten, wie viele Menschen noch diese ganz dunklen massiven Möbel haben; die Monsterschrankwand aus den 70ern – sie lebt!
Andere stehen auf knallbunte Retro-Mustermixtapeten. Der Nachbar sitzt schon wieder vorm Fernseher. Gegenüber hängen die scheußlichsten Lampen der Welt. Oh nein, ich schau schnell weg. Geht mich ja nichts an. Doch dann saugt das blaue flackernde Licht eines Riesenflatscreens meinen Widerstand auf. Mein Kopf dreht sich von ganz allein.
Um die Ecke lebt eine junge Familie. Jeden Nachmittag gegen fünf füttert die Mama ihr Baby mit Brei. Ein süßer Anblick. So viel Leben um mich herum. So viel komplett unterschiedliche Lebenswelten. Schleswig-Holstein light. Also Schleswig-Holstein im Licht. Bilder zum Träumen. Zu Hause angekommen, revanchiere ich mich und lasse das Innere meines Hauses kurz im Licht erstrahlen: Jaaaa, der Hund sitzt auf dem Sofa, und die Küche hat … Ende der Vorstellung. Rollläden runter. Ich will ja hier keinen zum Spannen verführen. Ich doch nicht! Geht ja auch niemanden was an.