Mein Landleben - Folge 1: Von Ysop und Koriander
06. March 2012, Harriet Heise - Mein Landleben, Harriet Heise

In meinem Gemüsegarten habe ich ein kleines Buchsquarree nur für Kräuter. Und ich habe einen Traum: Ich stehe in der Küche, koche ein Curry und gehe kurz in den Garten und schneide mir eine Handvoll frischen Koriander. Oder ich habe einen Tomatensalat gemacht und hole aus dem Kräuterbeet noch beschwingt duftenden Basilkum.
Und wenn Sie jetzt denken, was erzählt die Frau mir da, dann soll sie eben Koriander und Basilkum in ihr Kräuterbeet pflanzen. Dann muss ich Ihnen sagen: Das habe ich versucht. Jahrelang. Immer wieder. Und auf alle Arten. Ich habe auf jeder Gartenausstellung Töpfe mit griechischem, italienischem, rotem, klein- und großwüchsigem Basilikum gekauft und ins Beet gepflanzt. Genauso Koriander. Was entweder die Schnecken in der darauffolgenden Nacht vernichtet haben oder die Spatzen am Morgen darauf. Oder es fiel trotz intensiven Wässerns einfach schlaff zur Seite und stand nie wieder auf. Es gab durchaus einzelne Tage in meinem Gartenleben, in denen ich dachte, der Durchbruch sei geschafft. Aber dann hat mir ein gut meinender Helfer die jungen Pflanzen rausgejätet oder der Hund hat einen Knochen im Kräuterbeet vergraben und alles stehen lassen außer – Sie ahnen es - Basilikum und Koriander.
Im Gegenzug allerdings wuchern einige Kräuter geradezu grotesk.
Mein Liebstöckel ist trotz mehrfachen Rückschnittes im Jahr eine übermannshohe Staude, vor der mein Mann immer wieder fasziniert steht und fragt: „Was war das noch – und das ist absichtlich im Beet?“ Und Estragon habe ich soviel, dass ich jeden Tag Sauce Bernaise kochen und trotzdem noch alle Freunde beschenken könnte.
Mein erstaunlichster Kräutererfolg ist allerdings Ysop. Den habe ich als zartes Pflänzchen mal mit sehr viel Basilikum und Koriander in einer Bio-Gärtnerei gekauft. Und während Basilikum und Koriander sich wie erwartet schnell aus meinem Beet verabschiedet haben, fühlt sich Ysop anscheinend wirklich wohl bei mir. Schon im ersten Jahr hat die Staude große Flächen des Beetes eingenommen, energisch Thymian und Salbei verdrängt und zauberhaft geblüht.
Das ist schön und freut mich auch. Aber ich habe erst nachlesen müssen, was man mit Ysop eigentlich anfangen kann. Mein Kräuterbuch empfahl die leicht bitteren Blätter vorwiegend für Wurstfüllungen und Eintöpfe. Beides essen wir im Sommer selten. Alternativ wurde eine sparsame Dosierung in Quark empfohlen.
Und seither essen wir also viel Quark – unter anderem mit Ysop. Beim letzten Kindergeburtstag meines Sohnes gab es zu Möhrchen, Gurken und Fladenbrot natürlich auch Quark. Und als alle Kinder schon wieder auf dem Rasen Fußball spielten, saß ein Junge immer noch am Tisch und aß beharrlich weiter. Das Kind war ein Freund von Lebensmitteln, das war ihm anzusehen. Und jetzt aß es vor allem Quark. Irgendwann legte der Junge eine kurze Pause ein und fragte mich mit halbvollem Mund: „Was ist da eigentlich drin?“ „Viel Ysop“, war meine Antwort. Ein kurzer irritierter Blick, dann Achselzucken. „Macht nichts“, sagte er, „schmeckt trotzdem.“