Mein Landleben - Folge 4: Zwischen gießen und genießen
11. September 2012, Harriet Heise - Mein Landleben, Harriet Heise

Neulich habe ich meiner Freundin stolz meinen blühenden Staudengarten gezeigt. Und nach kurzer Zeit fragte sie mich: „Kommst Du auch mal wieder nach oben? Ich würde gern zwischendurch dein Gesicht sehen.“ Die Frage war sehr berechtigt, denn schließlich hatte ich während des Rundgangs ein paar Kleinigkeiten gesehen, die mich störten. Und noch mal eben schnell ein bisschen Unkraut aus dem Kies gezogen, den umgefallen Phlox wieder aufgerichtet und ein paar verblühte Rosen abgeknipst. Dabei hatte ich natürlich die typische Gärtner-Haltung - den Kopf nach unten – und sie sah eigentlich nur meine Rückseite.
Aber es fällt mir in der Tat schwer, einfach durch meinen Garten zu gehen und mich an Rosen, Stauden und Gemüse zu freuen. Es ist ja immer irgendetwas zu tun und meist bücke ich mich spontan und versuche, das schnell zu erledigen. Und das unabhängig davon, wie gut es passt. Ich habe schon, kurz bevor ich arbeiten musste, schnell im Blazer noch mal die verblühte Katzenminze runtergeschnitten oder in Pumps die Tomaten gewässert. Was bei Nachbarn, die mich sehen, oft für große Erheiterung sorgt.
Mein Mann dagegen hat das große Talent, den Garten als Ort der Entspannung und Muße zu sehen. Und sobald die Sonne auch nur ansatzweise scheint, rückt er sich eine Liege zurecht und freut sich an Garten und Freizeit. Während ich die wenigen Sonnenlöcher in diesem Jahr vorwiegend zum „Speed-Gardening“ nutze – dem schnellen Jäten zwischen zwei Regenschauern. Vor kurzem haben mein Mann und ich uns angesehen und festgestellt, dass er wie der jüngere Bruder von Winnetou aussieht – gut gebräunt. Und ich wie ein lichtscheuer Bücherwurm – blass und käsig. An sich müsste zumindest mein Hinterkopf knackig braun sein – das sieht man sicher nur wegen der Haare nicht.
Und dann hat ja dieses beständige Kratzen in der Erde und Jäten im Kies einen weiteren etwas unangenehmen Nebeneffekt: Es ist gar nicht so einfach gepflegte Hände zu behalten. Neulich war ich mit Freunden im Ballett. Schick gemacht, mit Rock und hohen Schuhen saß ich auf meinem Platz im Parkett und dann fiel mir auf: Trotz intensiven Schrubbens hatte ich einen klar erkennbaren schwarzen Rand unter den Fingernägeln. Peinlich, peinlich. Aber ein Freund erklärte mir dann, dass das in New York ein Zeichen für fast unermesslichen Reichtum sei: Die Damen dort zeigten gern ein bisschen Erde an den Händen. Denn wer sich in Manhattan einen Garten leisten kann, spielt in der Liga von Rockefeller und Vanderbilt. Tolle Geschichte, aber ich glaube kaum, dass sich hier bei uns in Schleswig-Holstein jemand von dreckigen Händen positiv beeindrucken lässt. Und so habe ich meine Finger ein bisschen versteckt und beim anschließenden Essen nicht so viel gestikuliert – ging auch.
Übrigens habe ich seit kurzem eine ausgezeichnete Entspannungshilfe – sie ist sehr hübsch, dunkelbraun und heißt Fritz. Der kleine Kater folgt mir ständig durch den gesamten Garten. Einzig in den Hühnerstall geht er ungern – die dicken Brahma sind ihm nicht geheuer. Sobald ich mich irgendwo kurz hinsetze, springt er mir sofort auf den Schoß. Und rollt sich wohlig zusammen. Da ich das junge Tier ja nicht ständig aus dem Schlaf reißen kann, finden Sie mich mittlerweile manchmal einfach so untätig im Garten sitzen. Und wenn die Sonne oft genug richtig steht, sehe ich bestimmt bald so gesund aus wie mein Mann.