Mein Landleben - Folge 8: Das hässlichste Huhn der Welt
07. May 2013, Harriet Heise - Mein Landleben, Harriet Heise

Endlich wieder Frühling, endlich grünt und blüht es wieder draußen. Und ich freue mich sehr, dass all meine Tiere gut über den langen Winter gekommen sind. In den vergangenen Jahren habe ich immer viele Enten an den Fuchs verloren, weil der Teich irgendwann zufror. Aber in diesem Jahr sind sowohl die beiden Laufenten Axel und Heike noch da als auch mein schönes Haubenentenpärchen Rolf und Dörthe. Dazu kommen noch etwa 40 Wildenten, die die regelmäßige Fütterung sehr schätzen und meinen Garten als Winterlager nutzen. „Warum kaufst Du eigentlich ständig Tiere, die kommen doch anscheinend von allein“, meinte mein Mann neulich.
Auch meine Hühner sind alle noch da. Und das ist besonders schön, weil ich im vergangenen Jahr reichlich Schwund hatte. Sogar mein geliebtes Gartenhuhn Inge hat es erwischt. Ich stand gerade in der Küche, als ich sah, wie der Habicht von oben auf Inge herab schoss. Ich bin sofort raus gerannt und habe den Raubvogel verscheucht. Da lag Inge auf dem Rasen, mit geschlossenen Augen. An sich war sie unverletzt – der Habicht hat sie nie richtig in die Fänge bekommen. Aber irgendwie war sie verstört. Ich bin mit ihr durch den Garten gegangen, habe ihr ihre Lieblingsbeete gezeigt, von frischen Würmern geschwärmt und sie dann behutsam im Stall ins Nest gesetzt. Aber diesen Habicht-Angriff hat sie trotzdem nicht überlebt. Meine Kinder haben zwar mit mir um Inge getrauert, aber meist kichern sie bei der Erinnerung an den Tag. Ich hatte nämlich ein Nachthemd an, als ich raus rannte und habe den Habicht anscheinend mit den Worten: „Hau ab, Du Sausack!“, beschimpft. Daran kann ich mich gar nicht erinnern...
Noch viel schöner als Hühner zu kaufen, ist es ja kleine Küken aufzuziehen. Da habe ich mittlerweile ein bisschen Erfahrung – und einen erstklassigen Helfer: Meinen süßen Hund. Das ist ein sehr großer Dalmatinerrüde. „Sieht aus wie eine Dogge für Arme“, meinte mal ein Freund. Aber dieses beeindruckende Tier ist ausgesprochen freundlich. Irgendwann hatte ich einmal ein gerade geschlüpftes Küken in der Hand, noch feucht und sehr schlaff. Das sah nicht so aus, als hätte es eine Überlebenschance. Mein Hund schnüffelte daran herum und fing dann ganz vorsichtig an, das Tierchen trocken zu lecken. Mit rauer Zunge und viel Geduld. Und nach wenigen Minuten sah das Küken aus wie ein dicker kleiner Federball und stand auf seinen zwei Beinchen. Eine lebenserhaltene Hundemassage. Seit diesem großen Erfolg halte ich Doderer jedes schwächliche Küken hin – und er hat schon vielen Hühnern und Enten zu einem erfolgreichen Lebensstart verholfen!
Unter anderem auch einem Brahma-Huhn. Weil ich keinen Hahn mehr hatte und vor allem mittlerweile auch auf sehr große Hühner setze, die selbst dem Habicht Angst machen, habe ich einem meiner brütenden Hühner gekaufte Brahma-Eier untergelegt. Geschlüpft sind vier recht große Küken. Die sind am Anfang niedlich, aber dann mit zunehmendem Wachstum werden sie etwas rupfig und unansehnlich. Eines der Hühner war aber wirklich abstrus hässlich: Es hatte ein braun-graue Mischfärbung und bekam immer längere Beine. „Züchtest Du jetzt Straußen?“, fragte ein Freund, als er das Huhn sah. Mittlerweile hieß es Claudia, nach Claudia Schiffer, wegen der langen Beine. (Im Gesicht haben die beiden wenig Ähnlichkeit.) Während die anderen drei Brahmaküken zu schönen dicken runden Hühnern heranwuchsen, wurde Claudia immer größer, so dass sogar der Hund ihr mit Respekt begegnete. Eine Erklärung für dieses Gigantenwachstum hat Claudia dann Ende vergangenen Jahres geliefert – als sie zum ersten Mal laut und vernehmlich krähte. Seitdem heißt sie übrigens Brutus und ich habe wieder einen Hahn.